Warum es nicht gut ist, nach einer Trauerfeier „in aller Stille“ auseinander zu gehen.
Ein Schritt noch. Ein Schritt. Und wieder einer. Vor, nur vor den Fuß. Ganz nach vorn. Da ist dein Platz heute. Ganz nach vorn, da, wo du niemand ansehen musst. Ganz nach vorn, da wo nur noch die Blumen sind und das Kreuz und die Urne. Und das Bild. Das Bild, das du nie vergessen wirst. Und du gehst. Schritt für Schritt. Ganz nach vorn. Und du bleibst hier und kannst es nicht fassen, dass es wirklich du bist, die hier steht weil er nicht mehr neben dir geht. Und eine Hand ergreift deine und hält sie und zieht dich, dass du dich setzt. Ganz nach vorn. Du kannst nichts sehen. Nichts und niemand, im Tränennebel. Nur das Bild. Und du kannst nichts hören, alles klingt verwaschen und verrauscht. Nur ein paar Worte. Seinen Namen. Ein paar Töne. Seine Musik. Und die warme Hand die deine hält, kalt, klamm und verzweifelt.
Dann wieder ein Schritt. Noch einer und noch einer. Hinterher, da wo sie gehen, in schwarz und still und unbegreiflich. Und zu sehen, wie sie ihn nehmen und hinablassen in die Erde. Und es fühlt sich an, als bist nicht du die, die hier steht und als ist nicht er der, der da geht und als ob die Welt nicht weitergeht. Und sie stützt dich, die Hand, als du die Erde nimmst, in deine. Kalt und feucht. Erde und Blumen und du riechst sie, die Endgültigkeit und die Unendlichkeit. Und du stehst und schweigst und blickst nicht auf, als sie an dir vorübergehen und dich ansehen mit Traurigkeit, unsicher und verzagt und kein Blick ins Auge geht.
Vom Leben hast du was gehört. Vom Leben und zu Hause sein. Von Hoffnung und von weitergehen. Doch es ist schwarz da drin, in dir, so schwarz wie in dem Loch, das bald geschlossen wird und in dem er jetzt liegt mit Blumen und mit Erde.
Die Hand sie greift nach dir. Ein Schritt. Und noch ein Schritt. Geh weiter. Immer nur ein Schritt, denn nur einen kannst du tun auf einmal und weiter sehen musst du nicht. Ein Schritt. Die Hand, sie hält dich, lässt nicht los. Ein Schritt. Und eine Tür. Hier ist es warm. Und hell. Du blickst nicht auf, noch nicht. Die Hand, sie führt dich und wieder setzt du dich. Ein Tisch. Ein Teller. Eine Tasse, in der Kaffee dampft. Ein Löffel klirrt leise gegen Porzellan. Gedämpfte Stimmen. Vertrauter Duft. „Trink!“ sagt eine Stimme. Mühsam hebst du deine Hand. Die Tasse ist warm und wärmt die Spitzen deiner Finger. Die Milch macht den Kaffee sanft und du trinkst. Schmeckst erst nur die Wärme, dann die Süße und den Duft. Und du ahnst, dass du am Leben bist. Trotz allem und noch immer. Und du wagst es und du hebst den Blick. Da sind Augen, die dich sehen. Die dich kennen und nicht fragen. Die nichts wollen und verlangen. Da sind Stimmen, die du hörst. Langsam wird das Murmeln lauter. Sie sind da. Diese Menschen. Hier mit dir. Und für dich. Ihr seid zusammen. Jetzt hier. Ohne ihn, aber mit dir. Ihr seid zusammen. Essen. Trinken. Reden und aufatmen. Und du ahnst, dass da noch Leben ist, in dir. Tief verborgen noch im Dunkel, aber ein erster Lichtstrahl bahnt sich mühsam seinen Weg. Bleib nicht allein. Du bleibst nicht allein. Worte hörst du wieder. Von Hoffnung und nach vorne sehen. Von Leben und von Gott. Der Wege hat. Und Wege findet, auf denen dein Fuß gehen kann. Schritt für Schritt.
Und du atmest tief. Und atmest auf. Du trittst ins Freie. Hebst den Kopf. Siehst Richtung Himmel. Schritt für Schritt wird dein Leben dich dahin führen. Mit der Hand an deiner Seite. Und ihm und Gott in deinem Herzen. Da ist etwas gestorben, in dir, als er ging. Doch jetzt ahnst du und beginnst zu glauben: Du wirst leben. So wie er. Schritt für Schritt.
Jesus sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.“ Johannes 11,25
Es gibt Gänge, die man nie gehen will. Ich habe im Abstand von einem halben Jahr zwei Freunde verloren. Der eine war 26, der andere 30. Es war gut, dass ich nicht alleine da an den Gräbern war, sondern dass ich jemanden hatte, mit dem ich reden konnte. Von daher… guter Blogeintrag.